Optimierung des Golftrainings für Leistung unter Druck

Auswirkungen verschiedener Übungsbedingungen beim motorischen Lernen

 

Viele Golfer sind der Ansicht, dass ihre Golfprobleme immer erst während des Spiels im Wettkampf auftreten, im Training laufe es dagegen viel besser. Woran liegt das, werde ich oft gefragt.

Zunächst vorab: Der Schlüssel zu konstant gutem Golf ergibt sich nicht allein durch die Spielweise auf der Runde, sondern durch die Qualität des Trainings und der Spielvorbereitung, bevor man sich zum Abschlag bereit macht.

Die meisten Spieler beschränken sich bei ihrem üblichen Golf-Training auf den Einsatz ihrer Lieblings-Schläger auf der Driving Range. Sie glauben, dass eine Verbesserung ihrer Schläge von den Abschlagmatten der Driving Range sich auch unmittelbar positiv auf ihr Spiel (auch unter Wettkampfbedingungen) zeigen müsste. Dies entspricht weder der Realität, noch einem sinnvollen Training.

Warum gestaltet sich dieser vielzitierte Transfer vom Überführen erlernter Übungsabläufe auf der Driving Range auf Wettkampfbedingungen auf dem Platz denn so schwierig?

Dazu muss ich etwas ausholen und auf nur wenige Grundlagen aus der Sportwissenschaft verweisen:

Bereits 1979 konnten Shea und Morgan erstmalig unterschiedliche „Lerneffekte“ verschiedener Trainingsmethoden im Hinblick auf ihren Transfer-Effekt (Bedingungen Training→Wettkampf) sportwissenschaftlich untersuchen.

Hierbei zeigte sich, dass motorisches Lernen (Sport)  im Rahmen eines  sog. Blocktrainings (blocked practice) mit vielen periodischen Wiederholungen gleichförmiger repetitiver Bewegungsabläufe nur zu einer Verbesserung unter Trainingsbedingungen führt, ein größerer Lernfortschritt und damit ein verbesserter Transfer jedoch nur durch das sogenanntes Random-Training (random practice)  erzielt werden kann. Hierbei werden ständig unterschiedliche Bewegungsabläufe jeweils nur in viel kürzeren Perioden wiederholt. Bezogen auf das Golfspiel bedeutet dies, längere periodische Wiederholungen gleicher Schläge (blocked practice) zeigen sich allenfalls durch eine Verbesserung der Routine bestimmter Schläge auf der Range, zeigen aber keine Langzeiteffekte auf der Runde. Hier wäre es sinnvoller, jeweils nur wenige Schläge mit unterschiedlichen Aufgabenstellungen unter Einsatz unterschiedlicher Schläger auszuführen (random practice).

Inzwischen sind zu diesem Thema weitere, differenzierende Untersuchungen durchgeführt worden (Hall et al., 2012; Guadagnoli et al., 1999). Hierbei ließ sich zeigen: Allenfalls Golf-Anfänger profitieren zunächst noch vom Block-Training, bei Zunahme der Spielstärke führt das randomisierte Training zu größeren Lernerfolgen.

Zurück zur Frage, was nutzen mühsam antrainierte Fortschritte auf der Driving Range, wenn sie auf dem Platz plötzlich nicht mehr „abrufbar“ sind? Was macht dabei den „Druck“ aus, der zum Versagen führt? Müssen wir deswegen unser Training anders gestalten?

In den Publikationen „Challenge Point: A Framework for Conceptualizing the Effects of Various Practice Conditions in Motor Learning“ von Guadagnoli & Lee (2004) und „Optimizing Practice for Performance Under Pressure“ von Guadagnoli & Bertram (2014) werden interessante Ansätze für eine hierfür geeignete  Trainingsgestaltung beschrieben, die ich hier kurz vorstellen möchte:

 

  1. Der „Übungserfolg“ deutet nicht immer darauf hin, wieviel „Lernfortschritt“ erzielt worden ist.

Irrtümlich verwechselt der Golfer häufig den Übungserfolg mit dem Lernfortschritt (Kantak & Weinstein, 2012). So ist es für den Spieler sehr frustrierend, wenn der Erfolg auf den Übungsanlagen (z. B. Driving Range) nicht auf den Golfplatz übertragen werden kann. Dieser Typ Golfer schlägt jedoch weiter stereotyp seine Bälle „aus dem Eimer“ weg und freut sich, wenn er sie alle halbwegs getroffen hat. Aber hat er dabei etwas „gelernt“? NEIN !

Diese vermeintliche erlernte bzw. verbesserte Schlagroutine ist auf dem Platz nicht mehr verlässlich abrufbar, sie hält “ (nicht mal im Rahmen einer Übungsrunde) dem „Druck“ nicht stand.

Ein Training, das zum Ziel hat, auch auf der Runde „stressresistenter“ zu werden, muss auch variable Inhalte anbieten: man beginnt mit vermeintlich einfachen Schlägen und verändert im Verlauf immer wieder die Aufgabenstellungen. Ein Lernerfolg, der über einen einfachen Übungserfolg hinausgeht, ist nur erreichbar über ständig wechselnde Aufgabenstellungen im Training. Hierbei müssen die Herausforderungen dem Spielniveau des Spielers stets individuell angepasst werden, um ihn nicht durch Überforderungen bzw. ständigem Versagen zu demotivieren.

  1. Der Punkt der Herausforderung sollte aufgaben- und lernspezifisch sein.

In erster Linie geht es im Training darum, bei jedem Spieler individuell den jeweiligen Punkt der optimalen Herausforderung (PoH) zu finden. Das charakterisiert einen Punkt, bei dem der Spieler überzeugt ist, dass er diese Aufgabenstellung eigentlich mit Einsatz und Konzentration schaffen oder zumindest lernen sollte. In diesem PoH-Bereich kann der Spieler am schnellsten und effektivsten lernen. Aber warum trainieren die meisten Spieler ganz anders?

Es sind vor allem zwei Gruppen: 1. Die meisten Golfer glauben, allein während des Spiels trainieren sie auch im Sinne eines ständigen „learning by doing“. 2. Sie glauben immer noch unbelehrbar daran, dass gute Schläge auf der Driving Range auch ein Garant für ein gutes Spiel auf dem Platz sein sollten.

 

Auf der Abbildung 1 verdeutlicht eine vereinfachte Graphik: Je niedriger das Übungsniveau gewählt wird, desto höher fällt der Übungserfolg (Leistung) aus. Dagegen führt ein deutlich höheres Übungsniveau zu sehr schlechten Übungsleistungen. Der Trainer hat es nun in der Hand: Soll sich der Trainierte durch höhere Übungsleistungen „gut“ fühlen (Komfort-Zone) oder soll er das Anforderungsniveau stetig erhöhen? Nur das Letztere garantiert statt kurzfristiger Übungserfolge auch langfristige Lernerfolge und damit den Transfer von der Driving Range auf Wettkampfbedingungen auf dem Platz.

 

Abbildung 1: Das Verhältnis zwischen dem Übungsniveau und dem Erfolg. Je niedriger der Anspruch desto größer ist der Erfolg (in Anlehnung an Guadagnoli & Bertram, 2014, S. 122)

 

Um einen optimalen Lerneffekt zu erzielen, muss das Training jeweils aus individuell angepassten Herausforderungen bestehen. Das wird sich für viele Spieler auch nicht so gut anfühlen, wie das Gefühl, das man bekommt, wenn man ohne besondere Herausforderungen einige „gute“ Bälle hintereinander halbwegs lang und gerade geschlagen hat. Alles andere wäre ein Misserfolg und mit dem können Golfer nicht gut umgehen. Es geht hier aber um „angemessenen“ Misserfolg und nur der trägt dazu bei, auf dem Golfplatz erfolgreicher zu werden. Ich verwende bewusst den Begriff „angemessener Misserfolg“, er charakterisiert den jeweiligen  „Kampf“ um den „Punkt der optimalen Herausforderung“ eines jeden Spielers in der Trainingssituation, der  mit ansteigender Spielstärke immer wieder neu anzupassen ist. Abbildung 2 macht zudem deutlich, ein Optimum des Lerneffektes zeigt sich nur bei angepasster Herausforderung. Mit anderen Worten, es wird nicht mehr erreichbar bei zu niedrigem oder zu hohem Übungsniveau.

Abbildung 2: Das Verhältnis von Übungs- und Lernerfolg für verschiedene Aufgabenschwierigkeiten. (in Anlehnung an Guadagnoli & Bertram, 2014, S. 123)

 

Noch einmal: Sowohl eine Über- als auch eine Unterforderung hat eine Lernineffizienz zur Folge. Gewöhnlich wird die Überforderung dazu führen, dass der Spieler schnell demotiviert wird („Das kann ich nicht und werde es auch nie lernen“), Lernfortschritte bleiben aus. Ein Beispiel: Ein Anfänger soll mit einem Holz 3 seinen kaum sichtbaren Ball aus dem „dicken“ Rough möglichst weit das Fairway entlang schlagen. Das wird er nicht können, das versucht nicht einmal die Mehrzahl guter Golfer. Er versucht es verzweifelt und (völlig frustriert) sogar mehrfach, Die Aufgabe war in diesem Falle weit entfernt vom Punkt der optimalen Herausforderung.

Im Gegensatz kann eine Unterforderung zwar schnell zu einem Gefühl des Wohlbefindens führen, weil man hintereinander Erfolg bei der Ausführung relativ einfacher Schläge hat.

Auch diese Situation kennen wir alle: Der Spieler schlägt 10 oder 20 Schläge mit seinem 9er Eisen von der gleichen Stelle (Range) zu dem gleichen Ziel. Klar, dass die Mehrzahl der Schläge in der Regel relativ gut gelingt. Aber sobald der Spieler sich auf dem Golfplatz befindet, kann dieses gute Gefühl dann auch sehr schnell in Frustration umschlagen: Wenn der gleiche Spieler es  in einem Wettspiel nicht mehr ansatzweise schafft, seinen Ball in der Nähe einer kurz hinter einem Bunker gesteckten Fahne auf dem Grün zu platzieren.

  1. Der Punkt der Herausforderung sollte sich dem Niveau des Spielers anpassen.

Die folgende Abbildung 3 soll noch einmal deutlich machen, dass sich bei jedem Spieler mit steigendem Spielniveau auch die Punkte optimaler Herausforderung (PoH) ständig verändern müssen, um das Verhältnis von Übungs- und Lernerfolg jeweils optimieren zu können. Das erfordert ständig Neuausrichtungen im Training.

Abbildung 3: Das Verhältnis von Übungs- und Lernerfolg für verschiedene Aufgabenschwierigkeiten. a) und b) sind zwei verschiedene Entwicklungsstufen eines Spielers. (in Anlehnung an Guadagnoli & Bertram, 2014, S. 124)

Der PoH ist also dynamisch und passt sich dem jeweiligen Niveau des Spielers an. Sobald eine Fertigkeit als reproduzierbar „gekonnt“ klassifiziert werden kann (z.B. zu 70 % reproduzierbar), sollte das Ziel auf einem leicht höheren Schwierigkeitsgrad mit höherer Herausforderung neu definiert werden.

Sobald eine Übung mit einer relativ geringen Fehlerquote absolviert wird, stagniert der Lernfortschritt. Um die Lerneffizienz zu erhalten, sollte das Niveau der Herausforderung also immer wieder angepasst werden.

Wie bereits ausgeführt, der Alltag sieht leider anders aus. Unabhängig vom Spielniveau halten  die meisten Spieler es für erfolgversprechendes Training, wenn sie „eimerweise“ ihre Bälle halbwegs gerade und weit von der Matte „kloppen“. Sie fühlen sich dabei und danach gut, sind dann aber immer wieder frustriert, wenn es auf dem Platz nicht mehr so gut „läuft“. Sie geben allein sich und ihrem Unvermögen die Schuld, nicht der Art ihres Trainings.

Die wichtigste Key note meiner Ausführungen lautet daher: Golf-Training darf keine „Comfort Zone“ sein, sondern muss aus ständig wechselnden Herausforderungen bestehen, kann deshalb auch mitunter als „quälend“ wahrgenommen werden. Diese „quälenden“ Momente im Sinne kurzzeitiger „Bestrafungen“ stellen nach derzeitigen neurobiologischen Erkenntnissen wichtige Voraussetzungen zum Erlernen komplexer Bewegungsabläufe im Sport-Training dar. Training ist nicht nur Spaß, es bedeutet auch Anstrengung ebenso wie Lob und Tadel. Wir sprechen dabei nicht von Dressur, allenfalls von externer Konditionierung. Nur dadurch kommt es zur notwendigen Differenzierung neuronaler Verschaltungen beim Erlernen komplexer Bewegungen. Wir wissen heute, dass dem Gedächtnis beim Erlernen komplexer Bewegungsabläufe eine zentrale Rolle zukommt (repräsentativer Speicher). Anfangs werden komplexe Bewegungen (Golfschwung) noch sehr „bewusst“ durchgeführt, erfordern eine erhöhte Konzentration und sind durch Ablenkungen leicht störbar. Sie führen zu schneller Ermüdung, da sie durch mangelhafte Bewegungskoordination und Inanspruchnahme „falscher“ Muskelgruppen auch nicht sehr ökonomisch ablaufen. In dieser frühen Trainings-Phase spielen emotionale Faktoren (Angst und Unsicherheit) eine große Rolle. Darin liegt einer der Hauptgründe für das Scheitern vieler Golfanfänger auf dem Platz, sie sind mit ihren Gedanken nicht ausreichend fokussiert. Es fängt mit der Pre-Shot-Routine an (z.B. mangelhafte Ausrichtung zum Ball und zur Spiellinie). Mit zunehmender Spielstärke laufen „Standardschläge“ durch „häufiges Abrufen“ als Bewegungsstereotyp weitgehend automatisiert ab (wie z.B. auch andere antrainierte komplexe Alltagsbewegungen wie Tür-Aufschließen, Autofahren). Man nimmt sie in ihrem komplexen Bewegungsablauf gar nicht mehr wahr, verliert aber nie darüber die Kontrolle. Sie sind im Gehirn als „Engramme“ im Langzeitspeicher des Gedächtnisses als „Schablone“ jederzeit abrufbar. Einige Bewegungsmuster sind auch „übertragbar“ abrufbar. Eine im Kindesalter erlernte Ballsportart (Fußball) erleichtert das Erlernen anderer Ballsportarten wie Basketball, Tennis oder Golf (erlerntes „Ballgefühl“), Skiläufer lernen leichter Surfbrett-Fahren (Balance-Training) usw.

Über Affekte und Emotionen werden über das sog. limbische System, das evolutionsbiologisch zu den „ältesten“ Hirnarealen gehört, unsere Gedächtnisleistungen (Erlernen, Behalten, Abrufen) zusätzlich entscheidend beeinflusst. Aber das wissen wir doch alle: Mit Liebeskummer fällt man durch das Examen und Chinesisch lernt man am besten, wenn man eine Chinesin zur Freundin hat. Bezogen auf das Golf-Training bedeutet dies: Auch wenn man das Training als Herausforderung mitunter als „quälend“ empfinden sollte, entscheidend bleibt, dass bei diesem wunderschönen Sport der Spaß überwiegen sollte. Man kann auch nicht immer gewinnen.

Abschließend werden in der unten angegeben Tabellen typische Situationen beschrieben, wie sie beim Training immer wieder vorkommen, und welche „Verstellschrauben“ zu verändern wären, um den Lernerfolg zu verbessern:

Quellen:

Mark A. Guadagnoli & Timothy D. Lee, 2004

Challenge Point: A Framework for Conceptualizing the Effects of Various Practice Conditions in Motor Learning

Journal of Motor Behavior, 2004, Vol. 36, No. 2, 212–224

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Mark A. Guadagnoli & Chris P. Bertram, 2014

Optimizing Practice for Performance Under Pressure

International Journal of Golf Science, 2, 119-127